Freigänger oder Wohnungskatze?

 

Einfach zu beantworten ist diese Frage nur dann, wenn aufgrund der Lage der Wohnung gar kein Freigang möglich ist. In der Stadt oder an einer verkehrsreichen Straße sollte wohl niemand auf die Idee kommen, seiner Katze Freigang zu gewähren. Was aber tun, wenn die Wohngegend geradezu für freilaufende Katzen geschaffen scheint. Nichts ist doch schöner als eine Katze in Freiheit zu sehen.

Unsere Erfahrungen

Als wir unsere erste Katze bekamen, dachten wir, dass wir mit einem großen Garten und der Lage in einer Tempo 30 Zone die ideale Umgebung für eine Freigängerkatze bieten könnten. Das ging auch eine Weile gut. Bis Gina eines Nachts, wir hatten lange auf ihre Rückkehr warten müssen, mit blutverschmierter Schnauze und bis zur Hälfte abgerissenen Krallen zurückkam. Der Tierarzt konstatierte am nächsten Tag einen Verkehrsunfall. Die abgerissenen Krallen waren ein typisches Merkmal dafür, da Katzen, nachdem sie von einem Auto erfasst wurden, instinktiv Halt suchen und dazu die Krallen ausfahren um sich auf dem Asphalt Halt zu suchen. Dieser Vorfall hat uns zwar sehr erschrocken aber leider noch nicht schlauer gemacht. Kurz nach ihrer Kastration verschwand Gina trotz umfangreicher Suchaktionen spurlos. Unserer Unerfahrenheit ist es zuzuschreiben, dass Gina nur ein halbes Jahr alt geworden ist.

Ohne Katze wollten wir nicht bleiben, aber bei der 2. Katze wollten wir alles besser machen. Leider waren wir noch nicht schlau genug auf den Freigang ganz zu verzichten. Also ging unsere Katze 3 Monate lang nur unter Aufsicht in den Garten. Jedes Mal wenn sie sich dem Gartentor Richtung Straße näherte, haben wir sie in den Garten zurückgescheucht. Unsere Arbeit zeigte Früchte und Angie hatte sich bald daran gewöhnt ausschließlich unseren Garten zu benutzen. So waren alle glücklich und unsere Katze war sicher. Aber auch dieses Glück währte nicht ewig. In ihrem 7. Lebensjahr wurde Angie neugierig und war immer häufiger vor dem Haus anzutreffen. Auch das Zurückbringen in den Garten brachte keinen dauerhaften Erfolg. Kurze Zeit später fanden wir sie tot, von einem Auto überfahren, im Vorgarten unseres Nachbarn. Einzelschicksal? Innerhalb 6 Wochen fielen in unserer Nachbarschaft insgesamt 3 Katzen dem Straßenverkehr zum Opfer (Tempo 30 Zone, ausschließlich Anliegerverkehr).

Mit dem Tod von Angie waren auch gleichzeitig unsere Versuche mit ungesichertem Freigang beendet. Wir brauchten einige Zeit um uns neu zu orientieren. Aber dann war klar: Unsere nächste Katze würde eine Norwegerin sein und es würde keinen ungesicherten Freigang mehr geben. Wir fingen an mit einem gesicherten Balkon. Inzwischen gibt es neben und unter dem Balkon zusätzlich ein frei zugängliches Gehege. Der nächste Schritt wird ein komplett gesicherter Garten sein. Leider wehrt sich der Garten im Moment noch gegen dieses Vorhaben aufgrund der Bebauung und Bepflanzung.

Die Erfahrungen anderer

Auch in unserem Bekanntenkreis gibt es ähnlich negative Erfahrungen mit Freigängerkatzen. So musste der Kater von Gegenüber, ein erfahrener Freigänger, nach einem Autounfall aufwändig wieder zusammengeflickt werden. Der Unfall hatte Lähmungserscheinungen und wochenlange Inkontinenz zur Folge. Glücklicherweise hat er sich aber wieder erholt und wurde fast wieder der Alte.

Ein befreundeter Züchter hatte sich einmal, entgegen seiner Überzeugung, überreden lassen, einen Kater in den Freigang abzugeben. Die Umstände erschienen ideal: Ein Dorf mit nur wenigen Häusern und ohne Durchgangsverkehr schien ideale Voraussetzungen für einen kleinen Streuner zu bieten. Leider hat dieser Kater seinen ersten Geburtstag nicht erlebt, er wurde in dem verkehrsarmen Dorf überfahren.

Auch die Besitzer eines unserer Kitten haben zuvor schlechte Erfahrungen mit Freigängern gemacht. Sie verloren gleich mehrere Katzen an den Straßenverkehr. Heute gibt es dort einen komplett katzensicher eingezäunten Garten.

Natürlich soll nicht verheimlicht werden, dass es auch positive Beispiele gibt. Auf unserer Straße gibt es seit Jahren einen Kater, der, penetrant wie nur ein Kater sein kann, entweder unter einem geparkten Auto oder aber mitten auf der Straße liegt. Bis heute ist ihm, auch Dank der Rücksichtnahme der Nachbarschaft, nichts passiert. Wir hoffen für ihn, dass das auch so bleibt.

Brauchen Norweger Freigang?

So zutreffend die Rassebezeichnung "Norwegische Waldkatze" auch ist, verleitet sie doch zu einem großen Missverständnis. Häufig trifft man bei Nichtkennern der Rasse auf das Vorurteil, dass diese Katzen im Wald oder zumindest in großer Freiheit leben sollten.

Der Norweger ist jedoch extrem Menschenbezogen und vermisst keinesfalls die verlorene Freiheit. Dieser Charakter ist über Generationen von Züchtern gefestigt worden. Er lässt die kleinen Trolle offen auf Jedermann zugehen. Dadurch fehlt aber auch die Scheu vor Fremden, welche einer Katze auf der Straße das Leben retten kann. Ein Norweger ist vertrauensselig und würde gar nicht auf die Idee kommen, dass ihm ein Mensch schaden könnte. Auch Angst vor einem Auto hat er nicht unbedingt. Schließlich erziehen wir ihn ja dazu, ohne Angst mit uns im Auto zum Tierarzt zu fahren.

Unsere Entscheidung

Für uns steht fest, dass wir alles dafür tun werden, um nie wieder eine Katze an den Straßenverkehr zu verlieren. Auch auf andere Gefahren des Freigangs können wir gerne verzichten. Deshalb geben wir unsere Kitten ausschließlich in die Wohnungshaltung oder in den gesicherten Freigang ab.

Wir geben uns größte Mühe unsere Katzenkinder für ein menschenbezogenes Leben in der Wohnung zu erziehen. Diese Arbeit möchten wir uns natürlich nicht dadurch zerstören lassen, dass die Tiere anschließend auf der Straße landen.

Wir haben nichts dagegen, wenn jemand eine Katze als Freigänger halten möchte. Aber dann bitte mit Tieren, die auf dieses Leben vorbereitet sind.